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AutorenbildDennis Ammann

Offener Brief des NFV-Schiedsrichterausschusses

An die Vereine des

Niedersächsischen Fußball-Verbandes


Osnabrück, 27. Oktober 2022


Liebe Vereinsvertreterinnen,

liebe Vereinsvertreter,


für den Verbandsschiedsrichter-Ausschuss wende ich mich in einer sehr ernsten Angelegenheit an Sie. Die Anzahl der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter in Deutschland, und so auch in Niedersachsen, ist seit Jahren rückläufig. Im Niedersächsischen Fußball-Verband (NFV) waren im Jahr 2019 7.548 Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen aktiv. Im Jahr 2020 war die Anzahl mit 7.510 fast konstant. Mit heutigem Stand leider nur noch 6.198.


Ja, wir haben immer noch zahlreiche Unparteiische, Assistentinnen und Assistenten aus dem NFV, die im Profibereich und auch international tätig sind, unsere Aushängeschilder. Ja, wir haben Vereine und Kreise, in denen seit Jahren eine tolle Nachwuchsarbeit betrieben wird. Der Gesamttrend ist jedoch leider klar und nicht zu leugnen. Insbesondere an der Basis, dort, wo der Fußball herkommt, in den Spielklassen der Kreise, speziell dort auch in der Jugend, fehlen uns immer mehr aktive Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter.


Die Ursachen sind gewiss vielfältiger, auch gesellschaftlicher Natur. Wesentliche Gründe sind sicherlich auch die zunehmende Respektlosigkeit, Unfairness und leider auch Gewalt gegen unsere Unparteiischen. Unlängst mussten wir eine sehr traurige Zahl vernehmen: In der Saison 2021/2022 gab es in Deutschland so viele Spielabbrüche wie nie zuvor. Bei der Hälfte davon war der Schiedsrichter von Gewalt betroffen. Prüfen Sie selbst Ihre eigenen Erfahrungen, liebe Vereinsvertreterinnen und Vereinsvertreter, was manchmal rein verbal in den Spielklassen, insbesondere auch im Jugendbereich, auf, aber auch neben dem Platz los ist. Die meisten jungen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter verlieren wir im ersten Jahr nach ihrer Prüfung, weil sie sich das nicht mehr antun wollen. Und wenn ein Schiedsrichter bei einem Verein Gewalt erleben muss, dann ist das eine schlimme Erfahrung, die ihn lange, womöglich das ganze Leben lang, begleiten wird.


Der NFV-Verbandsschiedsrichter-Ausschuss will und wird diese Entwicklung niemals hinnehmen. Mit diesem Schreiben möchten wir an Sie, die wichtigsten Akteure an der Basis, appellieren und Sie auch in die Pflicht nehmen. Sorgen Sie auf Ihrem Sportgelände ohne Kompromisse für Fairplay und respektvollen Umgang. Tätlicher Gewalt geht eine verbale Radikalisierung voraus. Wenn Sie entsprechendes Verhalten auf dem Sportplatz feststellen, dann müssen die entsprechenden Personen vom Gelände entfernt werden – auch als klares Signal nach außen. Es geht nicht darum, Emotionen zu unterbinden, diese gehören zu unserer schönsten Nebensache der Welt, zu unserem Fußballsport, dazu. Beschimpfungen, Beleidigungen und Bedrohungen haben indes rein gar nichts mit Emotionen zu tun – wer beschimpft, beleidigt oder bedroht, hat auf unseren Sportplätzen nichts zu suchen.


Bei jeglicher Form von Gewalt gilt eine absolute Null-Toleranz-Linie. Wenn ein Schiedsrichter oder ein Assistent Gewalt erfährt, dann führt das zum sofortigen Spielabbruch – egal, wann der Vorfall geschieht. Das gilt im Übrigen auch dann, wenn Gegenstände auf die Unparteiischen geworfen werden – das Spiel ist dann sofort zu Ende, auch wenn der Vorfall kurz vor Spielschluss passieren sollte.


Der Niedersächsische Verbandsschiedsrichter-Ausschuss appelliert an Sie, liebe Vereinsvertreterinnen und Vereinsvertreter: Unterstützen Sie unsere Unparteiischen durch Anerkennung und Respekt für ihre schwere Aufgabe. Setzen Sie sich entschlossen und kompromisslos auf Ihrem Sportplatz für Fairplay ein. Unterstützen und schützen Sie insbesondere unsere jungen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter – denken Sie daran: Jeder und jede hat mal angefangen und kann nicht gleich perfekt sein.


Es gibt in Niedersachsen zahlreiche positive Beispiele, zahlreiche Vereine, die sich ohne Wenn und Aber vor, während und nach dem Spiel für die Unparteiischen einsetzen, egal, wie das Endergebnis lautet. Es gibt in Niedersachsen zahlreiche Vereinsvertreterinnen und -vertreter, die sich vorbildlich um die Schiedsrichter und die Schiedsrichter-Teams kümmern, sie begleiten und ggf. auch unterstützen, wenn es nötig ist. Es gibt hochengagierte Vereinsvertreter, die sich darüber hinaus in den Ausschüssen oder im Sportgericht engagieren und in diesen Funktionen Woche für Woche für Fairplay sorgen. Diese Menschen sind für den NFV-Verbandsschiedsrichter-Ausschuss absolute Vorbilder. An dieser Stelle daher auch ein großer Dank dafür – Sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass wir in den Kreisen überhaupt noch Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter haben, die mit Freude Woche für Woche zu den Spielen fahren.


Wir werden die Thematik im Verbandsschiedsrichter-Ausschuss und auch im NFV-Präsidium weiter behandeln – auch beraten, wie wir noch effektiver im Schulterschluss mit Ihnen in den Vereinen, mit den Spielinstanzen, Spiel- und Jugendausschüssen sowie Sportgerichten vorgehen können. Es wird verstärkt präventive Maßnahmen geben müssen, öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wie jetzt den verzögerten Spielbeginn, aber es wird sicherlich auch verstärkt repressive Maßnahmen gegen Unfairness, verbale und tätliche Gewalt geben müssen.

Sollten Sie aus Ihrem Verein positive Beispiele für nachhaltiges Engagement für Fairplay, Anerkennung und Akzeptanz haben, scheuen Sie sich nicht, diese uns mitzuteilen. Lassen Sie es uns als gemeinsame Aufgabe verstehen, den Fußball fair und damit attraktiv zu gestalten – auf dass er die schönste Nebensache der Welt bleibt.


Mit freundlichen Grüßen

NIEDERSÄCHSISCHER FUSSBALLVERBAND e.V.

Bernd Domurat

Vorsitzender Verbands-Schiedsrichter-Ausschuss

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